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Ostsee: Ärztemangel auf Insel – doch ER hat viel Platz im Terminkalender

An der Ostsee herrscht Ärztemangel – und trotzdem hat eine Praxis viele Termine frei? Das schauen wir uns mal genauer an.

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Usedom: Woher die Insel ihren Namen hat

Nach Rügen ist Usedom die zweitgrößte Insel Deutschlands. Die Insel an der Pommerschen Bucht hat 76.500 Einwohner. Sie ist zum Großteil Deutsch, jedoch ist auch ein Teil im Osten von ihr bereits polnisch. Gelegen an der Ostsee ist sie ein absoluter Touristenmagnet.

Ob an der Nord- oder an der Ostsee – der chronische Mangel an Fachärzten ist überall ein Thema, insbesondere auf den Inseln. Lange Wartezeiten und weite Wege zur nächsten Praxis prägen den Alltag vieler Menschen. Besonders dramatisch ist die Lage auf Usedom.

Doch genau dort hat sich eine paradoxe Situation ergeben. Auf der Ostsee-Insel Usedom gibt es keinen Facharzt für Kieferorthopäde. Der nächstgelegene Spezialist auf diesem Gebiet betreibt jedoch eine Praxis in unmittelbarer Nähe, in Wolgast. Man könnte meinen, dass diese vor Patienten überquellen müsste. Doch weit gefehlt: Im Terminkalender klaffen Lücken. Wie passt das zu dem ständig beklagten Ärztemangel?

Ärztemangel an der Ostsee – Praxis hat trotzdem Termine frei

Die besagte Praxis in Wolgast in direkter Nähe zur Ostsee-Insel Usedom gehört dem Kieferorthopäden Dr. Alexander Spassov. Und das könnte – so vermutet es der Arzt selbst – auch der Grund dafür sein, dass viele Eltern mit ihren Kindern oder auch erwachsene Patienten lieber 30 Kilometer weiter nach Greifswald fahren. Dr. Alexander Spassov ist nämlich nicht irgendein Kieferorthopäde. Vielmehr beklagt er seit Jahren öffentlich in Fernsehsendungen und Zeitungsberichten eine – seiner Meinung nach bestehende – Überversorgung bei der Behandlung, insbesondere von Kindern. Ganz aktuell hat Spassov seinen Standpunkt wieder im ARD-Magazin „Panorama“ erläutert.

Unter Kieferorthopäden und Zahnärzten nicht nur an der Ostsee hat der Mediziner sich damit keine Freunde gemacht. Denn von teuren, privat bezahlten Zusatzleistungen, „Luxus-Zahnspangen“ und langen Behandlungszeiten von bis zu vier Jahren hält Dr. Alexander Spassov nicht viel. Dass Eltern und erwachsene Patienten Tausende Euro aus eigener Tasche zahlen, lehnt er ab. Seine Haltung: In aller Regel seien die von der Krankenkasse bezahlte Standard-Zahnspange und eine zweijährige Behandlung völlig ausreichend. Doch viele Kieferorthopäden verdienen mit langen Behandlungszeiten und privaten Zusatzleistungen sehr gutes Geld. Spassovs Kritik passt da nicht ins Konzept.

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Ostsee: Dr. Spassov beklagt Überversorgung bei Kieferorthopädie

Dr. Alexander Spassov geht im Gespräch mit „Ostsee-Zeitung“ davon aus, dass seine Praxis in Wolgast deshalb nicht ausgelastet ist, weil Zahnärzte aus der Region um Usedom die Patienten lieber zu anderen Kieferorthopäden in der Umgebung überweisen, etwa in Greifswald. Dort betreibt Spassov übrigens eine zweite Praxis. Auch die ist nicht ausgelastet, was den Mediziner noch in der Auffassung bestätigt, dass Zahnärzte die Patienten ganz bewusst zu anderen Kollegen lenken. Eine Vorgehensweise, die laut Bundeszahnärztekammer unzulässig ist, aber auch nur schwer bewiesen werden kann.


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Aktuelle Studien der Barmer-Krankenkasse sowie der Universität Straßburg geben Dr. Alexander Spassov weitgehend recht. Demnach benötigten überhaupt nur 40 Prozent der Kinder in Deutschland tatsächlich eine Zahnspange beziehungsweise eine kieferorthopädische Versorgung. Behandelt würden aber laut Barmer-Studie je nach Bundesland deutlich mehr Kinder. Die Spanne reiche von 46 Prozent in Bremen bis hin zu 60 Prozent in Bayern. Und noch eine Kernaussage: Die „Kassen-Spange“ ist medizinisch genauso wirksam wie ein „Luxus-Modell“.

Insgesamt zeichnet sich die Lage auf Usedom durch einen scheinbaren Gegensatz aus: Während in der Ostsee-Region und insbesondere auf den Inseln Ärztemangel herrscht, erfahren die Praxen von Dr. Spassov aufgrund seiner kritischen Haltung zu bestimmten Praktiken in der Kieferorthopädie offenbar eine gewisse Ablehnung innerhalb der Ärzteschaft.