Hamburg.
Hussein Alahmad (28) schloss sein Studium in Syrien erfolgreich ab und sollte in den Krieg ziehen. Das kam für den Flüchtling aus Hamburg nicht in Frage. Deshalb entschied sich der Syrer für die Flucht nach Deutschland.
Familie, Freunde und sein altes Leben hat er hinter sich gelassen. Fünf Jahre später spricht der Flüchtling im MOIN.DE-Interview über seine Flucht, über die Ankunft und über das Leben in Hamburg.
Hamburg: Flüchtling flieht vor Armee
Hussein hatte in Aleppo (Syrien) gerade sein Abschluss in Verfahrenstechnik gemacht. Er wollte Ingenieur werden. Doch dann die Schock-Nachricht: „Ich habe Syrien gezwungenermaßen verlassen, weil ich sonst zur Armee hätte gehen müssen. Aber das wollte ich nicht“, erzählt der 28-Jährige im Gespräch mit MOIN.DE.
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Nach dem Uni-Abschluss hätte er seinen Wehrdienst antreten müssen. „Als Student kann man den zwar einmal nach hinten verschieben, aber sobald man fertig ist, muss man direkt zur Armee und in den Kampf ziehen. Zum Glück war mein Reisepass damals noch gültig, so dass ich in die Türkei reisen konnte“, berichtet Hussein.
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„Wir schaffen das“ – es sind eigentlich nur drei Worte. Doch seit 2015 polarisierte in Deutschland kaum etwas mehr als dieser Leitsatz von Angela Merkel. Auf der einen Seite löste die Parole der Kanzlerin eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Ein anderer Teil der Gesellschaft fühlte sich überfordert. Überfordert von mehr als einer Million Flüchtlingen, die auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/16, nach Deutschland kamen.
Zwischen Willkommenskultur und AfD-Aufstieg, zwischen Sprachbarriere und Hoffnung auf ein friedliches Leben versuchen die Geflüchteten seitdem in Deutschland Fuß zu fassen. Fünf Jahre sind nun vergangen: Zeit für ein Zwischenfazit. Wie sind die Flüchtlinge mittlerweile in Deutschland angekommen? Was sind ihre prägendsten Erfahrungen? Welche Wendepunkte haben ihr Leben bestimmt?
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Aus Angst davor, dass seiner Familie in der Heimat etwas angetan werden könnte, wollte sich Hussein im Verlauf des Interviews nicht weiter zu politischen Themen in seiner Heimat äußern.
Hamburg: Die Flucht nacht Deutschland
In der Türkei ist Hussein nicht lange geblieben. Von dort aus ging es mit einem Schlauchboot nach Griechenland. „Danach haben wir vier Nächte in einer griechischen Flüchtlingsunterkunft verbracht, ehe es dann in die Hauptstadt Athen ging. Von dort aus mussten wir nach Mazedonien, Kroatien, Slowenien, Ungarn und dann nach Deutschland“, erklärt der Geflüchtete.
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Bis zu 50 Tage dauerte die Flucht von Syrien nach Deutschland. „Von einem Land zum anderen muss man ungefähr 5-6 Kilometer zu Fuß laufen. Wenn wir nicht in einer Flüchtlingsunterkunft geschlafen haben, verbrachten wir die Nächte auf den Straßen. Besonders zur Winterzeit war es sehr schlimm, da es kalt und regnerisch war“.
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Das ist das Land Syrien:
- ein vorderasiatisches Land, das an Israel, Jordanien, dem Libanon, der Türkei, den Irak und dem Mittelmeer grenzt
- Hauptstadt Damaskus
- rund 21 Millionen Einwohner (Stand 2010), 185.000 Quadratkilometer groß
- Unabhängigkeit von Frankreich am 17. April 1946
- seit 2011 herrscht Krieg zwischen der Assad-Regierung und ihrer Anhänger auf der einen und syrischen Oppositionellen, teils radikalen Islamisten und vom Ausland (Türkei, Katar, Saudi-Arabien) unterstützte Söldner auf der anderen Seite
- laut Schätzungen der oppositionellen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat der Krieg mehr als 465.000 Todesopfer geopfert, über fünf Millionen Menschen sind in Nachbarländer oder nach Europa geflohen
- neben sunnitischen Muslimen leben in Syrien auch vergleichsweise viele Christen, Alawiten und andere religiöse Minderheiten
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Die Ankunft in Deutschland war für den 28-Jährigen etwas ganz besonderes. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir am Bahnhof so begrüßt werden und dann auch noch diese Gastfreundschaft in der Gemeinde. Das war schon sehr positiv überraschend für mich,“ erzählt Hussein.
Hamburg: „Ich fand das großartig“
Das erste Ort in Deutschland war in Dirmingen im Landkreis Neunkirchen im Saarland. Dort wurde Hussein mit anderen Geflüchteten in einem Flüchtlingscamp untergebracht. „Das war eine sehr tolle Zeit dort. Ich habe viele engagierte Menschen getroffen, die sich für mich und andere Flüchtlinge einsetzten, damit wir hier zurecht kommen. Egal ob Arzttermine, Briefe oder Wohnungsbesichtigungen, es war immer jemand dabei, um uns zu unterstützen. Ich fand das großartig. Sie haben ihre Zeit damit genutzt, um uns zu helfen“, blickt Hussein zurück.
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Als einer der wenigen konnte der Syrer Englisch: „Das hat die Kommunikation mit den Helfern erleichtert. So konnte ich zwischen beiden Parteien – den Helfern und meinem Landsleuten – als Übersetzer fungieren.“
Damit er sich besser integrieren kann, trat Hussein dem örtlichen Fußballverein SV Dirmingen bei. „Anfangs konnten wir uns nicht richtig verständigen, aber das wurde im Laufe der Zeit immer besser. Die Mannschaft hat mir bei der Integration sehr geholfen“, so Hussein.
Hamburg: „Das war sehr absurd“
Auch wenn die Zeit im Saarland sehr schön war, erinnert sich der Geflüchtete an einem Augenblick zurück, an dem er negativ überrascht wurde. Er habe lange auf seinem Arbeitserlaubnis warten müssen. Besonders die Behördentermine waren ihm sehr unangenehm.
„Das war sehr absurd. Mir wurde von einer Jobcenter-Mitarbeiterin gesagt, dass ich nicht als Ingenieur arbeiten soll. Ich soll vielleicht doch eher Autos waschen gehen. Das war ein Schock für mich. Ich meine, ich habe 17 Jahre meines Lebens in der Schule und in der Universität verbracht, nur um dann in Deutschland Autos zu waschen? Danach habe ich angefangen, überall hin Bewerbungen zu schicken und schließlich ein Vorstellungsgespräch in Hamburg bekommen“, erinnert sich Hussein.
Nach drei Jahren hieß es dann Abschied nehmen. „Ich habe in Dirmingen so viele Kontakte geknüpft, nette Menschen kennengelernt und mich als Teil dieser Gemeinde gesehen. Der Abschied war sehr schwer“.
Hamburg: „Fühle mich sehr wohl“
Damit er überhaupt als Ingenieur arbeiten kann, musste Hussein all seine Abschlussunterlagen aus der Heimat bei der Ingenieurkammer abgeben. Danach die erfreuliche Nachricht. Er darf als Ingenieur tätig sein.
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„Seit Mai 2019 arbeite ich als Junior-Assistent-Ingenieur in einer Firma in Hamburg und fühle mich sehr wohl. Die Kollegen sind sehr nett“, freut sich Hussein.