Veröffentlicht inHamburg

Hamburg: Ermittler-Legende packt aus – „Zuhälterei, Körperverletzung, Erpressung“

Oberkiezianer Carsten Marek, „Ritze“-Betreiber und ehemaliges Mitglied der berüchtigten Hamburger Zuhälter-Bande „Nutella“, sagt über Waldemar Paulsen (76): „Der Rotfuchs hat uns damals das Leben wirklich schwer gemacht.“ „Rotfuchs“ war der Spitzname des bekanntesten Hamburger Ermittlers in den 70ern und 80ern im Rotlicht-Milieu von St. Pauli. Da jagte er Zuhälter-Banden wie „GMBH“ und „Nutella“ und wurde […]

© privat

Verbrechen in Hamburg: So viel Arbeit hat die Polizei in der Hansestadt

Wie entwickelt sich die Kriminalität in Hamburg? Die aktuelle Kriminalitätsstatistik gibt Auskunft darüber.

Oberkiezianer Carsten Marek, „Ritze“-Betreiber und ehemaliges Mitglied der berüchtigten Hamburger Zuhälter-Bande „Nutella“, sagt über Waldemar Paulsen (76): „Der Rotfuchs hat uns damals das Leben wirklich schwer gemacht.“

„Rotfuchs“ war der Spitzname des bekanntesten Hamburger Ermittlers in den 70ern und 80ern im Rotlicht-Milieu von St. Pauli. Da jagte er Zuhälter-Banden wie „GMBH“ und „Nutella“ und wurde dabei ebenso gefürchtet wie die Kriminellen, die er verfolgte. Heute ist er im Ruhestand, schreibt Bücher über das Milieu und berät Filmcrews bei Kiez-Dokumentationen und fiktionalen Produktionen. Das Interesse an dieser Ära ist bis heute ungebrochen.

Hamburg: „Zuhälterei, Körperverletzung, Erpressung“

Wenn Sie heute an die „Nutella“-Bande denken, was fällt Ihnen als Erstes ein?

Sie ist genauso gescheitert wie die „GMBH“ und die Vereinigung um den 1992 verstorbenen Kiezianer Wilfried Schulz. Zur „Nutella“-Bande gehörten circa 80 Männer. Die Bekanntesten waren der Clan-Chef Klaus Barkowsky, alias „Der schöne Klaus“, Thomas Born, alias Karate-Tommy, der der Mann fürs Grobe war. Den Clan-Mitgliedern wurden hauptsächlich mehrere Pachteinheiten im Eros Center, in der Herbertstraße sowie Straßenbordelle in der Davidstraße zugeschrieben. Zu ihren Vergehen zählten Zuhälterei, Körperverletzung, Erpressung und Urkundenfälschung in unterschiedlicher Tatbeteiligung.

Warum sind sie gescheitert?

Weil sie nicht mit Geld umgehen konnten. In den guten Zeiten, also Mitte der 70er bis Anfang der 80er hatten sie pro Nase und Braut um die 1000 Mark am Tag. Das Geld wurde für protzige Autos, Uhren und andere Luxusgüter sowie exklusive Urlaube verpulvert. Das Lieblingsurlaubsziel der Hamburger Luden war Playa del Ingles auf Gran Canaria, wo sie sich gelegentlich verborgen hielten, wenn sie per Haftbefehl gesucht wurden. Der angrenzende Ort San Agustin war bekannt als Hauptumschlagplatz für Drogen, ein Drehkreuz für Drogentransfers aus Südamerika. Nach meinem Kenntnisstand wurden später die meisten von ihnen Sozialhilfeempfänger.

+++ Hamburg: Ex-Kiez-Ermittler über seine härtesten Fälle – „Wäre fast erschossen worden“ +++

Hamburg: Clan-Chef wählte Freitod

Welches von den „Nutella“-Mitgliedern ist das bekannteste und warum?

Clan-Chef „Der schöne Klaus“, der vor einem Jahr den Freitod wählte, wurde von einem gewissen Frauenklientel begehrt, weil er sich auffällig zeitgemäß wie Don Johnson aus der TV-Serie „Miami Vice“ zu kleiden wusste. Er trat selbstsicher auf und ließ seine blonde Haarpracht richten. Obwohl er kein Geistesblitz war, wirkte er nicht prollig. Seine Markenzeichen waren kostspielige Autos wie Lamborghinis und ein Bündel großer Geldscheine, die er in einer Metallklammer in seiner Jackentasche verwahrte. Er war der Poussierer Nummer eins in der „Nutella“-Bande. Sein Lehrmeister soll der Hundertjährige, Harry Vörthmann von der älteren Zuhälter-Organisation „GMBH“, gewesen sein. 

Wer stach neben dem Clan-Chef noch hervor?

Dann fiel noch „Bongo“ Reinhardt auf, ein richtiges Kraftpaket. Der hat mit seinem martialischen Habitus die Frauen das Fürchten gelehrt. Er war sehr dominant im Auftreten und ließ keinen Zweifel daran, dass er zur Gewalt neigte, wenn er Widerspruch erfuhr. „Karate-Thommy“ trat überall sehr lautstark auf und konnte durch Gestik und Mimik einschüchtern. Er rannte mit breiten Armen herum, als hätte er Rasierklingen unter den Achseln. Dabei vermittelte er immer den Eindruck einer kurzen Zündschnur und neigte bei Widerspruch zur körperlichen Auseinandersetzung.


Hier mehr:


Hatten Sie mit weiteren Zuhältern zu tun, die nicht zu den „Nutellas“ gehörten und Ihnen in Erinnerung geblieben sind?

Dieter Riechmann, den ich zuletzt im November 1980 überprüft habe und der später in Amerika in der Todeszelle landete. Er kam aus Lübeck und war Wirtschafter im Haus „Tiffany“ im Eros Center. Während meiner Routine-Kontrollen holte ich anfangs vor allem ganz junge Frauen aus den Bordellen, die noch nicht volljährig waren. Später hat es keiner mehr gewagt, diese jungen Mädels für ihre Dienste anschaffen zu lassen, wegen meiner ständigen Kontrollen. Dabei nahm ich auch Riechmanns Personalien auf und jagte sie regelmäßig durch den Computer, um zu sehen, ob etwas gegen ihn vorlag.

Seine auffallend schöne Verlobte, Kersten Kischnick, eine richtige Femme Fatale, schaffte im Eros Center an. Riechmann hatte eine hohe Lebensversicherung auf ihren Namen zu seinen Gunsten abgeschlossen. Während eines Miami-Urlaubs des Paares wurde sie im Mietwagen durch einen Kopfschuss hingerichtet. Die Tat schob er unbekannten Schwarzen zu. Schmauchspuren überführten Riechmann, der zum Tode auf dem elektrischen Stuhl verurteilt wurde. Später wandelte das Gericht das Urteil in lebenslänglich ohne Aussicht auf Bewährung um.